Texte zur Malerei

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Ina Gille: “ mehr Licht “   / Text Im Katalog zur Ausstellung  “mehr Licht”, KUNSTHANDLUNG Huber & Treff, Jena, 2005

 

Jürgen Henne : “Urknall im Taschenformat : ...” / 25.1.2000

Christine D. Hölzig : Gerhard Hoffmann : "SCHAUPLÄTZE" / zur Ausstellungseröffnung am 4.1.2000

Ina Gille :  “ Verwandlung und Wiederkehr” - Malerei von Gerhard Hoffmann in der Galerie Weise  /  Eröffnung am 24.2.99 in Chemnitz

Ina Gille :  “Gerhard Hoffmann - Malerei” -   Westphalsches Haus, Markkleeberg  /  zur Ausstellungseröffnung am 18.Juni 1998

Peter Guth : “Gerhard Hoffmann :  ZEUG”   /  Text Im Katalog zur Ausstellung “Zeug”,  Dogenhausgalerie Leipzig, 1992

Peter Guth : “Balanceakt  zwischen gegenständlicher Erfahrung und ...” /  Text im Katalog zur Ausstellung „junge kunst in leipzig“ 1991

Ilona Schlott : Laudatio von zur Übergabe von 6 Gemälden im Neubau Genomzentrum Gatersleben am 8.9.2000

Ina Gille: “ mehr Licht “

  /  Text Im Katalog zur Ausstellung “mehr Licht”,  KUNSTHANDLUNG Huber & Treff,  Jena, 2005



Gerhard Hoffmann malt Bilder, Bilder, die zuerst einmal Farblandschaften sind, auf denen sich das Farbmaterial auf und nieder wölbt, weich schmiegsam in sinnlicher Stofflichkeit aufleuchtet, oder sich über Farbkontraste in Extreme steigert. Hat man diese erste Sinnschicht erlebt, werden Figuren fassbar, Leiber, Gefäße, Blumen und symbolische Formen geben sich zu erkennen. Zugleich laufen Lineaturen, perspektivische Raumkonstruktionen durch einige seiner Bilder, als müsste ein Gerüst gegen die Last der wuchernden Farben gesetzt werden, sie gleichsam zur Ordnung zu zwingen. Dabei verkehren sich Größenverhältnisse, Nähen und Fernen werden vertauscht. Erst jetzt enthüllen sich die Malereien von Gerhard Hoffmann als komplexe Gebilde, die eine eigenwillige Sprache sprechen, den Bildraum zu einer Art mythisch existentiellen Ort werden lassen. Auch das Licht unterliegt hier einer besonderen Regie. Es ist weniger ein von außen die Gegenstände umspielendes, ihnen formgebendes Element, als viel mehr eine den Dingen und Räumen innewohnende Eigenschaft, die sie aufscheinen läßt oder zurücksinken in Dunkelheit.

Mendels Garten (II)

Mensch und Natur, Wagnis und Verantwortung, Möglichkeiten und Grenzen menschlichen Forscherstrebens interessieren den Künstler, haben sich inhaltlich in die Malereien der letzten Jahre eingeschrieben, sie geprägt. Genforschung, was macht den Menschen aus, darf er Eingriffe in sein Erbgut vornehmen, zu welchen Folgen kann das führen. Gradwanderungen; Verheißung oder Untergang...
Beginnend mit "Mendels Garten" hat Hoffmann andere Gärten gefunden. Was einstmals als Garten des Lüste tradiertes Thema in der Kunst war, Paradies und Hölle einander gegenüberstellte, ist bei diesem Künstler zu einer neuen Einheit gekommen. Nun kein Garten mehr eines fassbaren Paradieses oder quälender Höllenängste, nun eine einzige verworrene Gegenwart, in der Segen und Fluch eng ineinander verwoben sind, in der  Machbarkeitswahn, Züchtungsphantasien, Allmachtsstreben den Menschen zu dominieren drohen. Die Bilder "Prozession", "Der Weg", "Im Sand", "Alma,  "Animation", "Kurze Blüte", "Chorus", "Jahrgang" gehören in dieses Problemfeld. Es sind Traumlandschaften zwischen Staunen und Entsetzen, zwischen Lust und Ernüchterung, melancholisch grundiert. Land und Himmel ein einziger Raum, in dem sich Unfassbares abzuspielen scheint, Perspektiven sich verkehren, Hände zu Monumenten werden, Licht aus den Wolken stürzt, eine Hand eine Lichtkugel zu bergen versucht, vor einem großen Blütenkelch klein die menschlichen Lebensalter aufstehen und vergehen, gleißende Helle in Räumen herrscht, die dennoch luftleer wirken. Die Dinge scheinen außer Kontrolle zu geraten, das was in vitro, im Reagenzglas gelingt, ist nicht das, was draußen in der Natur, was ex vitro geschieht. Hoffmann setzt diesen Kontrollverlust, als bewussten Kontrast zur vermeintlichen Kontrolle. Verschlossene Formen, aus denen es wuchert, Organisches, das kristallinem Wachsen entgegenkriecht, unabwendbar. In all das verstrickt der Mensch, eingebunden in die von ihm erdachte Perspektive, ihrem Fluchtpunkt zulaufend. Er wirkt klein und hilflos auf seiner Bahn, unbedeutend inmitten der Geister, die er rief und kaum ahnt, was es kosten wird, sie unter Kontrolle zu halten, ex vitro.
"

Im Treibhaus. Exposition

Im Treibhaus, Exposition", groß aufgespannt das Hoffmannsche Thema. Das ganze Bild ein einziger Tiefenraum. Auffallend die aus leuchtenden Rottönen den Raum krönende oder ihn abriegelnde Fläche, je nachdem, wie man sie ins Auge fasst. Einmal sich in den Himmel wölbendes Dach, das darunter laufende Menschenpaar zu bergen, dann wieder wie ein den Bildraum verriegelnder Keil, fallender Vorhang, letzter Akt  menschheitlichen Dramas…  Balance zwischen beidem, Verheißung wie Irritation, eingeschrieben der Bildstruktur selbst wie eine vibrierende Unschärfe. Was ist draußen, was drinnen, wo steht der Mensch, was kann bei all dem Malerei. Soll sie, darf sie sich einmischen, mitmischen, mischen  mit ihren Farben, der ihr eigenen Phantasie und Phantastik, so direkt nie übersetzbar, immer nur Näherungen, Umkreisungen?

Zur Zeit arbeitet Hoffmann an einer Bildfolge, die er mit "Reflexion" umschreibt. Reflexion, Zurückwerfen von Licht, im direkten wie transzendenten Sinn, das Reflektieren darüber mit den Mitteln der Malerei.

Reflexion (II). Die Entscheidung

Nachdenken, Zurückdenken, Spiegelungen des Menschen in sich, mit sich selbst, des Künstlers in seinem Werk. Nicht von ungefähr tritt hier das barock Bühnenhafte, Inszenierte,  das den Bildern Hoffmanns auch eigen ist, stärker hervor. "Hamlet", "Die Entscheidung", "Verwicklung", drei Malereien diesen Zusammenhangs. Eine männliche Figur im Kampf mit sich selbst. Sich Ent-Scheiden, das Schwert blank ziehen, das Messer ansehen, sich spiegeln in ihm oder von ihm geblendet werden. Was erkennt der Mann, eingefangenes Himmelslicht oder Blendwerk der Zerstörung. Was geschieht mit dem Messer in seiner Hand, wozu wird er es verwenden, es gegen sich richten, andere richten? Steht hier etwa Kain neben Hamlet, was heißt Handeln, wer gibt das Recht dazu, wer trägt die Verantwortung…


 © Dr. Ina Gille, Leipzig

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Urknall im Taschenformat : Gerhard Hoffmanns Bilder in der Reihe "Weltlandschaften" der Deutschen Bank setzen Maßstäbe

Jürgen Henne / Leipziger Volkszeitung, 25.1.2000


Es könnte das Material sein, das im Urknall auseinander fegte und sich dann in neuen Formen zur gegenwärtigen Welt zusammenballte - die Malerei von Gerhard Hoffmann, ihre Farben und Strukturen. Im Taschenformat scheinen sich hier die Kreisläufe von Zerstörung und Erschaffung immer wieder neu abzuspulen. Bei Hoffmann, 1957 in Leipzig geboren, gibt es keine klar abgesteckten Storys, keine leicht zu durchschauenden Nuancen und Pointen.

Vorgenormte Programme mit inhaltlich vordergründigen Banalitäten entsprechen nicht seinem Naturell. Er malt und läßt den Dingen auch mal seinen Lauf. Dann zerfließen Farben, dann wird auch die zufällige Veränderung eingeplant. Hier ist Kunst nicht das gepflegte, schick ansehnliche Ergebnis auf Leinwand, Holz oder Papier. Der Prozess vom ersten Pinselstrich bis zur vorläufigen Beendigung wird als Aktion zelebriert. Und dieser Abschluss scheint tatsächlich immer nur vorläufig zu sein. Denn in den Bildern sind die Verhältnisse noch nicht gefunden, haben sich noch nicht eingepegelt.

Sexualität, Fruchtbarkeit und andere grundsätzliche Zusammenhänge nimmt Hoffmann in sein Programm auf. Er nennt die Arbeiten dann "Paarung" und "Libido", "Die Herrscherin" und "Agens" (treibende Kraft).
Doch es wäre müßig, nach detaillierten Fortpflanzungsritualen oder nach einer Herrscherin mit Zepter, Krone und bösem Gesicht zu suchen. Strukturen und Farben dienen nicht der plakativ-realistischen Beschreibung von Figuren und Objekten. Sie erhalten eine eigene, unabhängige Wirkungskraft. So werden Sog-artige Bewegungen und mystische Lichtquellen erzeugt, die sich jeder Gegenständlichkeit entziehen.

Und auch Bilder wie "Arkadien", "Myra", die antike Stadt in der heutigen Türkei, oder einfach nur "Eule" sind keine Beschreibungen von Landschaften und Flugtieren. Historische Abläufe und Entwicklungen, kulturelle, politische und ökologische Zusammenhänge werden ohne Geschwätzigkeit und mit höchstem künstlerischen Anspruch zusammengefasst.

Die Deutsche Bank eröffnete mit den Bildern von Gerhard Hoffmann in ihrer Reihe "Weltlandschaften" die erste Ausstellung des Jahres in Leipzig. Dabei wurde eine Qualität vorgegeben, die für andere Galerien das Maß aller Dinge sein sollte.


 © Jürgen Henne, Leipzig                                      

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GERHARD HOFFMANN : "SCHAUPLÄTZE"
Deutsche Bank AG, Hauptfiliale Leipzig

Ch. D. Hölzig zur Ausstellungseröffnung am 4. 1. 2000

 

...
Gerhard Hoffmann, 1957 in Leipzig geboren, studierte an der hiesigen Kunstakademie von 1983 bis 1988 Malerei und Grafik. 1991 war er dort bei Professor Bernhard Heisig Meisterschüler.
Seither hat er in zahlreichen Ausstellungen sein Können und seine unverwechselbare Handschrift vorgestellt. Die heute zu eröffnende Präsentation von Ölbildern und Malereien auf Papier aus den letzten drei Jahren führt uns einen eigenwilligen, sicheren und ausdrucksstarken Maler vor Augen.

"Schauplätze" der Titel der Ausstellung führt zum Hauptthema des Künstlers. Er ist fasziniert von der Polarität zwischen marginalen Schauplätzen und der Kraft der Elemente. Die Grenzsituation, der enge Bereich, in welchem Entscheidungen zur einen oder anderen Seite fallen, birgt Energien, Irritationen und Geheimnisse. Auf dieses Feld entführt der Maler den Betrachter. "Schauplatz" - ein im 16. Jahrhundert als Synonym für Theater gebrauchter Begriff, - er lädt ein zur Betrachtung eines Geschehens, dem Dramatik innewohnt. Nun sind es keine Hinrichtungen, zu welchen uns der Maler führt - zum Glück - seine Bilder üben jedoch häufig eine starke suggestive Wirkung aus. Neben ruhigeren Szenen bieten sich dem Betrachter erregende, spannungsvolle Szenerien bis hin zu erstaunt - erschreckenden Momenten.

Gerhard Hoffmann schafft mit seinem Material als Maler - mit den Farben, dem Pinselstrich und den Kompositionen Psychogramme von Geschehnissen. So gibt der Künstler mit dem Titel "Fastnacht", wie so oft, einen Einstieg in sein Gemälde (...). Die zum Teil prallen, jedoch nicht klar definierten Formen und der lebendige, haptisch nachvollziehbare Farbauftrag geben kein fröhliches Treiben am Tage vor dem Aschermittwoch preis, verweisen auch nicht auf das viel ältere Brauchtum des Vorfrühlings- und Fruchtbarkeitsfestes. Nein, kein Frohsinn will aufkommen, wohl aber wird das Taumeln spürbar, welches die Hauptfigur des Bildes - wen mag sie darstellen? - ergriffen hat. Die Atmosphäre ist verführerisch, ja gruselig schön. Der Ausblick zum Horizont führt den Blick weg vom taumelnden Geschehen, jedoch eröffnet auch er keine schönen Aussichten. Dunkler Regen scheint hernieder zugehen, ein Vulkanausbruch findet statt oder aber die Sintflut bricht herein. Der apokalyptische Moment dieses Bildes, gemalt 1999, konterkariert auf eigene Weise die Hymnen der heutigen Zeit.-

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Ruhig hingegen "Der Schlaf "Der Schlaf, 1999, 73 x 106 cm, Mischt. / Papier, (99P04). In der Malerei auf Papier, (...) dominiert der voluminöse Körper. Doch zeigt die Arbeit wirklich nur eine ruhige, traumgeschwängerte Szene ? Verweist nicht die verhaltene Theatralik auch auf Mythisches, auf den Bruder des Schlafes - den Tod?

Die Energie, welche die Bilder Gerhard Hoffmanns ausstrahlen, ist polarisiert zwischen Ruhe und unsichtbarem Drama - eine unsagbare Dramatik, welche aber vom Gefühl und dem Auge aufgenommen wird. Der Betrachter weis nicht wirklich, was im Bildraum vor sich geht, ahnt aber etwas von seinem Geheimnis, von dem darunter Verborgenen, vom Pulsierenden, vom Schmerz, vom Tod, vom Wiedererwachen, vom Leben und von der Liebe.
Das Spiel mit der Monumentalität der dargestellten Dinge, die Dynamik, das Formvolumen und die Poesie erzeugen die Faszination der Malereien Gerhard Hoffmanns und ermöglichen dem Betrachter, eine Ahnung vom unsichtbaren Drama des Lebenskreislaufes. Bilder wie "Jahrmarkt"
oder die Folge der "Terrestrischen Tafeln" werden zu Sinnbildern in der Polarität zwischen dem Untergang der Kreatur und ihrer Wiedergeburt, aber auch zu Spiegelbildern der Liebe. An der Schwelle zur Vergänglichkeit oder Aufbrechen einer neuen Frucht strahlt die Lebendigkeit auf.
Gerhard Hoffmann gelingt es diesem Vorrübergehen Dauer zu verleihen.

(...)


 © Christine Dorothea Hölzig, Leipzig                       

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weiterer Text der Autorin zu Hoffmann-Malerei im öffentlichen Raum (LVZ, Sept. 2003)

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Laudatio von Ilona Schlott zur Übergabe von 6 Gemälden im Neubau Genomzentrum Gatersleben am 8.9.2000

(Auszug)

 

(...)

 

Ich kann Ihnen versichern, daß das IPK mit diesen 6 Bildern eine lang gereifte und meisterliche Quintessenz "in Händen hält", die nur möglich war, durch eine jahrelange stete Beschäftigung mit immer wieder der gleichen Materie. Seit fast 10 Jahren umkreist der Künstler das Thema NATUR, d. h. er bewegt sich in diesem Spannungsfeld sehr komplexer Prozesse mit seinen Mitteln, seinen Möglichkeiten und Intentionen, sei es die Ölmalerei, seien es die Arbeiten auf Papier, bis hin zur Skulptur.
Da findet man dann Titel wie : Zeug, Liebesmahl, Märzmonster, der Schlaf, kahler Igel....
Das IPK hat vor einigen Jahren ein Bild von GH erworben, mit dem schönen Titel : Der verschwundene Gärtner ( was auch immer Sie sich jetzt darunter vorstellen....-.) Und all diese Bilder entstammen einem Arbeitszyklus, der auch heute noch nicht abgeschlossen ist, und den der Künstler " Hoffmanns Garten "benannt hat.
 

Und in HOFFMANNS GARTEN darf wild wuchern, üppig in Farbe und Form, was den Künstler seit fast einem Jahrzehnt beschäftigt und am Pinsel hält: Es sind die natürlichen Wunder des Wachstums, die Kreisläufe von Zerstörung und Erschaffung, Fruchtbarkeit und Sexualität.
Auf der einen Seite der geradezu mikroskopische Blick in die wunderbare Farb- und Formenwelt pflanzlichen Lebens, auf der anderen Seite - wohltuend unprätentiös - generelle Zusammenhänge historischer, kultureller und ökologischer Natur. Und das verbunden mit hohem künstlerischen Anspruch und handwerklichem Können. Eine Leipziger Kunstwissenschaftlerin hat über GH geschrieben : DA MALT NOCH EINER.....
 

Ich kann Ihnen aus ureigener Erfahrung sagen, daß das " Zusammenleben" mit GH's Bildern ein durchaus sehr intensives ist, und das ist auch ein Resultat der gewählten malerischen Mittel.
Was GH mit Pinsel und Farbe tut, das ist eine ständige Gratwanderung. Eine Gratwanderung zwischen konkret und abstrakt. Stark genug ausgeformt, um Impuls zu sein für eine konkrete Vorstellung, aber wiederum auch offengehalten und frei genug gemalt, um Raum zu schaffen für veränderliches Gedankenspiel. Und genau das macht die Bilder so "beständig", kein sehr häufiges Attribut in einer schnellebigen Zeit. Man "erträgt" diese Bilder über lange Zeiträume, ohne daß man allzuschnell "fertig ist" mit ihnen, und der Blick wie so oft dann nur noch darüber hinweggleitet wie über Tisch, Stuhl oder Eingangstür.
So etwas ist mit GH's Bildern nicht möglich. Sie bleiben sehr präsent, sehr lebendig und es kann sich, wie gesagt, ein regelrechtes "Zusammenleben" entwickeln. Denn immer wieder kann man in diesen Bildern, abhängig von der jeweiligen eigenen geistigen oder emotionalen Verfassung, neue Dinge entdecken, andere Dinge, mit denen man in Resonanz kommt.
 

Ich hoffe und wünsche es Ihnen, daß diese belebende Wirkung auch
hier im Genomzentrum von diesen 6 Bildern ausgehen wird...:
 

(,,,)

 

 © Ilona Schlott, Leipzig

 

 

zur Beschreibung dieses Projektes

 

 

 

 

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Ina Gille / Verwandlung und Wiederkehr – Malerei von Gerhard Hoffmann in der Galerie Weise

Eröffnung am 24.2.99 in Chemnitz

 

Die künstlerischen Anfänge Gerhard Hoffmanns vor zehn Jahren waren einerseits von der Tradition der Leipziger Schule, vor allem der mit Bernhard Heisig verbundenen bestimmt - Hoffmann war einer der letzten Meisterschüler Heisigs- zum anderen vom Wegbrechen einer ganzen gesellschaftlich kulturellen Zeitebene. Der Künstler hat sich beidem gestellt, er hat den Blick zurück nicht gescheut, keine Angst gehabt, dabei eventuell zur Salzsäule zu erstarren, und er konnte die Erschütterungen der Wende als Zugewinn von Sensibilität speichern. So ist inzwischen ein interessantes, an den Ort gebundenes und zugleich sehr eigenes Werk gewachsen.

 

Betrachten sie das Bild "Wiederkehr", eine im extremen Querformat friesartig sich ausbreitende Malerei, die ganz aus der Farbe lebt, durch die Farbe ihre Sinngebung erfährt. Wiederkehr (I), 1997, 55 x 130 cm, Öl / Lw., (97-25)Von der kühl gezügelten linken Seite geht es in die gleißende Helle des Mittelteiles, um von dort zum rechten Rand hin über stark aufleuchtendes Rot in dunklen Brauntönen auszuklingen. Lebendig wird das Bild durch die emotionale Potenz dieses Farbwandels, von dem auch die räumlichen Tiefen und die in den Vordergrund treibenden Volumen leben. Wiederkehr als Wandlung, Verwandlung, als immerwährender Prozess, auch des Malens.

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In gewisser Weise stellen die Malereien Gerhard Hoffmanns auch etwas Werdendes, sich Wandelndes dar. Kaum haben sich Gegenstände oder Zeichen auf seinen Bildern ausgeformt, scheinen sie sich schon wieder zurückzuziehen. Die zu gestaltenden Dinge werden in eigenwilliger Schwebe gehalten, sie offenbaren sich wie sie sich verstecken, sie zeigen sich, wie sie sich wieder verschließen. Wie ein Flüstern und Raunen, als würde irgend etwas passieren und doch die eigentliche Aktion immer wieder zurückgehalte

Märzmonster, 1997, 81 x 100 cm, Öl / Lw., (97-16) Märzmonster

n, in den Farbstrukturen verborgen. Und so sind seine Malereien zuerst immer Farblandschaften, verschiedenster Art. Bevölkert sind sie mit eigenartigen Gegenständen, sie treiben Figurinen aus sich heraus oder versenken kompakte Formen in ihrer Mitte. Ihre Oberflächen sind fast immer spröd, schichten sich zu Strukturen oder bleiben als flächige Stellen im Grund stehen, Es gibt impulsiv eruptive Arbeiten neben bedächtiger scheinenden, die in leisen Tönen gefangen bleiben

 

Unübersehbar ist, hier malt einer noch. Und er glaubt an die Wirkungsmöglichkeiten von Malerei, einer Malerei, die von der Materialität ihrer Oberfläche lebt, von der sinnlichen Struktur des Farbauftrags, einer entweder spröden Widerborstigkeit oder schmelzenden Biegsamkeit. Sie ist für ihn Daseinsvergewisserung und in diesem Sinne auch Abenteuer. Neugier treibt ihn an, er möchte hinter die Dinge sehen, Zusammenhänge erfahren, sie mit Malerei sichtbar machen. Das Gesehene, Erfahrene, das Erlebte in die zweidimensionale Fläche zu treiben, ohne das Ergebnis bereits gedanklich vorweggenommen zu haben, sich einzulassen auf diesen Weg, sich überraschen zu lassen vom Farbmaterial, wie ihm zugleich Widerstand entgegenzusetzen, was vor allem geistigen Widerstand meint, bestimmt seine bisherige schöpferische Auseinandersetzung.

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Die äußere sichtbare Welt ist Gerhard Hoffmann Anreiz weiterzuforschen, das Dahinter zu suchen. So gibt es kraftvolle Malereien, wie

Sonoita, 1997,  100 x 110 cm, Öl / Lw., (97-18) Sonoita

"Sonoita" oder

Verwandelt, 1997, 60 x 100 cm, Öl / Lw., (97-24)* Verwandelt

"Verwandelt", die ganz aus der Präsenz des Gegenständlichen leben und darüber reiche sinnliche Entfaltung erfahren. Dennoch, obwohl der Künstler den Gegenstand braucht, ihm das Sichtbare Anregung wie Korrektiv ist, Anstoß zu geistiger Auseinandersetzung wie Ort stillen Schauens, bleibt er ihm gegenüber misstrauisch. Das heißt, sein Verhältnis zum Gegenstand ist höchst ambivalent. Es ist Freude und Angst in einem, und genau das bringt er in seinen "Verwandlungen" immer wieder ins Gleichgewicht, kann es malend ausbalancieren. Häufig sind es deshalb symbolische Formen oder Zeichen, die seinen Bildern erwachsen und auf ihnen als ordnende Prinzipien aufscheinen.

materia prima

"Materia Prima" : Kraftvolle Formen haben sich aus dem Farbgrund herausgehoben, sind aus dem Chaos in eine Ordnung gefallen. Schöpferischer Prozess allen Ursprungs und jeder Kunst: Strukturen zu bilden, Ordnungen zu schaffen. Doch die Ordnungen sind nicht ein für alle mal gegeben, sie können ausufern, wie es das Bild "Märzmonster" zeigt. Unheimlich namenlose Gestalt. keimendes Frühlingszeichen, sich verlierend, nicht mehr stabil, scheint es nach allen Seiten hin ausbrechen zu wollen.

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Festhalten und Loslassen, in Formen bringen und aus diesen Formen wieder entlassen. Eine Malerei auch der Ruhelosigkeit, des Suchens, die farbige Reize auszuspielen weiß, mit Lichtbrechungen umgehen kann und dennoch nie im Sinne des bloßen Handwerks brillieren will, immer wieder die Illusion des Wirklichen vermeidet weil sie das Dahinter sucht.
In seinem jüngsten Zyklus "Stätten", in der Ausstellung durch die Malerei Stätten. Dezember, 120 x 70 cm, Öl / Lw., (98-43)"Dezember" vertreten, wird das besonders offensichtlich. Stätten, das ist zuerst einmal der Bildträger selbst, die Leinwand bzw. Hartfaserpappe- auf die das  Farbmaterial gebracht wird. aufgeschichtet zu Stätten, Stätten des Geschehens und Nachdenkens. "Dezember"-Stätte, ein weißes Farbtuch breitet sich über eine rote Farbfläche, deren Existenz noch durchscheint, und die am oberen Bildrand von einem merkwürdig ausfahrenden Blau begrenzt wird. Farbe über Farbe geschichtet. Agilität und Aggressivität, Verdecktes und Durchscheinendes. Was können wir sehen, was erfahren, wissend, dass dort nur Farbe sein kann?! Zu erfahren ist, was Malerei immer ausmacht, dass durch Farben und Strukturen etwas Neues, vorher so nicht Existentes entstanden ist, eine andere Ordnung, die immer auch auf uns selbst weist. Wie auf den

Terrestrische Tafeln (I-IV), 1998, je 100 x 31 cm, Öl / Hartf., (98-22-25) Terrestrische Tafeln (I - IV)

Terrestrischen 'Tafeln“. In den schmalen Hochformaten treiben unbekannte Dinge herauf, werden zu gleichnishaften Formungen: Blüten. Erdkabel, Verwerfungen, Verortetes. Sich aus einer Form herausschälen, sich strecken, sich verlieren, voneinander weg- wie zueinander hinwachsen, sich hervorkämpfen aus diesem violetten Grau oder Blau das dennoch Hülle und Heimat bleibt. Schwebende Zustände, aus denen heraus alles möglich ist, das Aufblühen wie das Verwehen. Das geht hin bis zu den Marginalien. Kleiner König, 1998, 200 x 70 cm, Öl / Lw., (98-16)Marginalien. DasPendel, 1998, 200 x 70 cm, Öl / Lw., (98-14)Marginalien. Der gelbe Rand, 1998, 200 x 70 cm, Öl / Lw., (98-15)"Marginalien", die zu poetischen Gleichnissen werden. Die drei Hochformate, die unser gewohntes links-rechts Leseschema aus der Balance bringen, lassen die abgebildeten Dinge. kaum dass sie aufgetaucht sind, wie verzaubert gleich wieder verschwinden. Das Pendel, den kleinen König, den gelben Rand. Wie ein Spiel von Erkennen und Nichterkennen, von Nahsein und Fernsein, von Auftauchen und wieder Vergehen. Heiter spielerische Irritation, schwebend, im Ungewissen bleibend. Allemal, auch hier. immer wieder Verwandlung.
Verwandlung und Wiederkehr.



 © Dr. Ina Gille, Leipzig                                             

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Ina Gille / Gerhard Hoffmann - Malerei. Westphalsches Haus, Markkleeberg
Ausstellungseröffnung am18.Juni 1998

Die Malereien Gerhard Hoffmanns sind vor allem Landschaften. Farblandschaften verschiedenster Art. Sie sind bevölkert mit eigenartigen Gegenständen, treiben Figurinen aus sich heraus oder versenken kompakte Formen in ihrer Mitte. Ihre Oberflächen bleiben fast immer spröd. schichten sich zu Strukturen oder bleiben als flächige Stellen im Grund stehen. Es gibt impulsiv eruptive Arbeiten neben bedächtiger scheinenden, die in leisen Tönen gefangen bleiben.
Es ist unübersehbar, hier malt einer noch. Und er glaubt er an die Wirkungsmöglichkeiten von Malerei, einer Malerei, die von der Materialität ihrer Oberfläche lebt, von der sinnlichen Struktur des Farbauftrags, einer entweder spröden Widerborstigkeit oder schmelzenden Biegsamkeit. Sie ist für ihn Daseinsvergewisserung und in diesem Sinne auch Abenteuer. Was er mit der Malerei bändigen will, scheint das Leben schlechthin zu sein. Neugier treibt ihn an, er möchte hinter die Dinge sehen, Zusammenhänge erfahren, sie mit der Malerei sichtbar machen. Es geht um Verwandlung.
Das Gesehene, Erfahrene, das Erlebte in die zweidimensionale Fläche zu treiben ohne das Ergebnis bereits gedanklich vorweggenommen zu haben, sich einzulassen auf diesen Weg, sich überraschen zu lassen vom Farbmaterial wie ihm zugleich Widerstand entgegenzusetzen, was vor allem geistigen Widerstand meint, bestimmt seine bisherige schöpferische Auseinandersetzung.
Und so wie er Gegenstände und Räume in die Malerei hineintreibt, in die Farbe, die Struktur einer Fläche, versucht er wieder zu den Dingen und Gegenständen zurückzufinden, kann sie nun aber anders wahrnehmen, weil er sie durch seine malerische Verwandlung, die bis zur Zerstörung der Gegenstände gehen kann, anders sehen gelernt hat.
 

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Gleich eingangs können Sie zwei Bilder sehen, die das gedankliche Umfeld des
Künstlers deutlich werden lassen. Die Malerei "Germinal". was den 7. Monat des französischen Revolutionskalenders meint, den Keimmonat, von Mitte März bis Mitte
April. Es ist ein Bild wuchernden Wachstums, sich neu findender Strukturen und
Gebilde und wenn man das Bild Märzmonster im Hinterkopf hat, durchaus auch ein Bild unheimlicher Gesichte, möglicher Entgleisungen, hinter dem sich das eigentlich Unbeherrschbare der Natur verbirgt, auch wenn der Mensch nie aufgeben wird in die Geheimnisse solchen Wandels einzudringen. Doch der Maler will den Dingen nichts entreißen, er will "nur" sichtbar machen, dabei das auratische, geheimnisvolle nicht zerstören.
Gegenüber dieser Malerei hängt sein "Grünes Paar" (“Paarung”). Es gehört zu den Arbeiten, die den Formen der menschlichen Gestalt nachgehen und dabei einem Urzustand menschlichen Seins nachspüren, einem Zustand, naturhaften Einsseins des Menschen mit der Welt, den der Künstler in der Ruhe des Schlafes noch zu finden meint. Auf solchen Malereien sind die großen Formen zu finden, die geschlossenen Rundungen, die bei dem "Grünen Paar" wie aus einem kostbaren, rot leuchtendem Umfeld hervorzuwachsen scheinen, selbst eine untrennbare zur Ruhe gekommene Einheit, die vom Atem des Farbauftrages gefangen scheint, selbst Farbraum geworden ist.
Gerhard Hoffmann ist kein Maler, der nur aus sich heraus arbeiten kann, er bleibt an das Sichtbare gebunden, braucht es als Korrektiv und Anregung. Aber es gibt die reinen Farblandschaften, die nur noch vermittelt an bestimmte Beobachtungen und Orte gebunden sind. "Wiederkehr" ist ein solches Bild. Die friesähnliche im extremen Querformat sich ausbreitende Malerei offenbart ihre Substanz als eine aus sich selbst heraus zu begreifende Wandlung, die ganz aus dem Farbraum kommt und dort ihren Sinn erfährt. Von der kühl gezügelten linken Seite geht es in die gleißende Helle desMittelteiles, um von dort zum rechten Rand hin in dunklen Brauntönen, in denen eingeschlossenes Rot aufscheint, auszuklingen. Ob die Malerei die ständige Wiederkehr des Vergehenden, den Rhythmus des Jahres direkt meint, bleibt sich eigentlich egal. Das Bild lebt von der emotionalen Potenz des sich Verwandelns schlechthin, zum einen des Gesehen in Malerei und zum anderen den Formungen des Materials auf der Fläche.

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Doch es gibt noch eine andere Art malerischen Herangehens. Die wird dort sichtbar, wo das extreme Querformat zum schmalen Hochformat aufgerichtet wird. Da sieht man auch, woher der Künstler kommt, daß er seine Ausbildung an der Leipziger Hochschule abgeschlossen hat und welches zeichnerische Potential er besitzt. Es geht um die drei hellen Bilder im hinteren Raum; "Pendel", "Kleiner König" und "Der gelbe Rand".
Als sollten hier Geschichten erzählt werden. Doch das Dargestellte entzieht sich immer wieder einer konkreten Deutung. Genau wie das in die Höhe getriebene verschiedenste Zeug, kaum zu fassen ist, weil es immer wieder hinter den Seitenrändern zu verschwinden droht, sich nicht ganz zu erkennen geben will. Wie ein Spiel von Erkennen und Nichterkennen, von Dasein und Fernsein, von gefaßter Form und verlorener. Getrieben von der Versuchung, das Rätsel lösen zu können, muß man immer wieder hinsehen, nachfragen um genau dann, wenn man glaubt, der Bedeutung habhaft geworden zu sein, zu begreifen, daß sie sich schon wieder entzogen hat. Diese spielerische Irritation, gebunden an einen fast heiter ironischen Umgang mit dem zu bändigenden Material, ist die eigentliche poetische Dimension dieser drei Malereien.

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Im Treppenaufgang finden sie die großformatige Malerei "Die Schlafenden". Sie kann in gewisser weise als Credo des bisherigen künstlerischen Arbeitens von Gerhard Hoffmann gesehen werden. (...)

Es ist eine Landschaft von Körpern, von Körperformen, ein Raum eigenwilliger Rhythmik und Dramatik, in den Schluchten und Keile zu führen scheinen, der Öffnungen freigibt wie sie zugleich verweigert. Eingewoben in ein einheitliches Farbgeflecht, Rhythmik von Pinselschlägen, verharrt die Malerei in harmonischer Tonigkeit, in der nur verhalten Kontraste ausbalanciert werden, Helligkeiten mit Dunkelzonen wechseln. Der Schlaf als Naturzustand des Menschen, als Zustand der Unschuld, des mit sich selbst einsseins, steht in eigenwilligem Kontrast zur Monumentalität des Bildes. Sind es überhaupt schlafende Körper oder ist es vielleicht zusammengestelltes Zeug, ins Übergroße verfremdet? Oder beides in einem, das eine immer wieder ins andere fallend? Die unschuldig Schlafenden und ihre eher unheimliche Traumlandschaft, die den Zustand der Unschuld aufhebt? Gibt es überhaupt einen solchen Zustand der Unschuld? Hat es ihn je gegeben? Was kann Malerei, was kann sie heute noch leisten?
Ich denke, sie kann leisten, was Künstler von ihr fordern. Wie immer bestimmen sie auch heute noch selbst, was auf Leinwänden und Pappen zum Bild wird. Ich sehe in Gerhard Hoffmann einen Künstler, der sich der Faszination des Malens nicht entziehen kann, und der mit seiner Malerei den Ursprüngen und der Wesenhaftigkeit von Menschen und Dingen so nahe wie möglich kommen möchte.
Das ist kein leichter Weg in den Zeiten medialen Taumels vor Bildschirmen und virtuellen Welten. Doch er lohnt sich noch immer.

 


 © Dr. Ina Gille, Leipzig

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Peter Guth / Gerhard Hoffmann :   ZEUG.

Es ist immer wieder die gleiche Faszination: Das optisch inspirierende Material verwandelt sich zu eigenen und eigensinnigen Formen. Eine Metamorphose wird ausgelöst vom Maler. Der Animator als Wieder-Schöpfer. Zuerst freilich: Die natürlichen Wunder des Wachstums, der Mythos geronnener Zeit- eingeschlossen in ein Sediment, in eine Koralle, in eine Muschel, in "Zeug" eben, Und auch dies: Im Griff nach den Urformen, deren Historizität unser Fassungsvermögen eigentlicht sprengt, liegt die hoffnungsvolle Illusion, man könne die Ewigkeit berühren. Ernüchterung stellt sich schnell ein, Die Form versagt sich, bleibt hart und unnachgiebig wie Stahl. Unbeschreibliche Kraft des Zerbrechlichen. Dann das völlige Sich-Hineinversetzen in den organischen Zusammenhang in einer Mischung von Wissen und Ahnen. Der Zwang, all das dem Bild anzuverwandeln. Der Umbau der Logik des Organischen in die Logik des Bildraums erweist sich als lust- und qualvoller Vorgang. Dabei verschwinde tnie die Ehrfurcht vor dem Bild. Auch sie kann hemmen und beängstigen. Der größte Horror dabei: Es könnte sich am Schluß erweisen, daß der Zauber, der von der Form anfangs ausging, nun ins Nichts zerfiel, als trockene, leblose Geste auf dem Malgrund steht, Wie verdeutlicht man eigene innere Zustände zuerst sich selbst, dann anderen, bringt sie ins Bild? Und wie wird man fertig damit, daß dieses Bild dann doch immer etwas ganz anderes sagt? Vielleicht macht gerade das eines der letzlich kaum erklärbaren Rätsel der Malerei aus: Mit der festen Absicht beginnen, eine gesehene, gedachte, gefühlte Form umzusetzen, dann aber zu bemerken, daß mit jedem neuen Strich, mit jeder vermeintlichen Näherung an das Ziel, die Absicht in Erfüllung geht, sich aber während des Tuns -wie von selbst- verändert. Anders gesagt: Das Ergebnis ist nie das Ziel. Bilderhaken also als irrationale Mischung von Absicht und Zufall; stets aufs neue die Überraschung, wenn das kalkulierte Zeichen die unkalkulierte, aber gültige Wendung erfährt. Hier wird das Malen zum religiösen, ja mythologischen Akt. Es funktioniert nur mit dem Glauben an das Bild.

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Gerhard Hoffmann ist kein malender Geschichtenerzähler. Ja er hält beim Betrachter aufkommende Bildstories immer für ein schlechtes Zeichen. Er malt Grundformen, die sich als Muster, als Topoi erweisen. Nicht zufällig bezeichnen die zentralen Bilder Gehäuse. Ganz naheliegend erscheint dabei die Assoziation zum Wunsch nach Beheimatung, zur Sehnsucht nach Geborgenheit und Wärme. Aber das alles ist nicht in einem sentimentalen, kitschig gefärbten Sinne, sondern als animalisches Bedürfnis zu verstehen. Das Gehäuse als letzter, intimster und geheimnisvollster Ort zum Eins-Werden mit den Sinnen, Intime Räume ziehen an. Ihrer Bestrickung kann man kaum entrinnen. Wahrscheinlich mehr unbewußt im psychologischen, wohl aber kontrolliert im formalen Bereich, thematisiert Gerhard Hoffmann wieder und wieder das Problem der Tiefe. Es entsteht eine Sogwirkung, die trichterartig in eine Dimension zieht, die hinter dem Bild liegt. Dort wohnen die Rätsel. Bei Goethe steigt Faust ins Reich der Mütter hinab und sagt: " Du sendest mich ins Leere, damit ich dort so Kunst und Kraft vermehre..." und: " In deinem Nichts hoff ich das All zu finden..." Es ist der Drang zum Urgrund, zum Wissen darüber, was hinter den Dingen liegt.

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Gerhard Hoffmann nennt seine Bildzeichen "pränatale Figurationen". Diese Beschreibung impliziert eine ganze Beziehungskette: Leben - Organisches - Erotisches - Dunkelheit - Chaos ( "Am Anfang war Eurynome, die Göttin aller Dinge, nackt erhob sie sich aus dem Chaos. Aber sie fand nichts Festes, darauf sie ihre Füße setzen konnte. Sie trennte daher das Meer vom Himmel und tanzte einsam auf seinen Wellen...") -Schutz - Präformation. Siegmund Freud meinte, die Gehäuse, die Architekturen der Menschen, seien der unbewußte Versuch, den Zustand im Mutterleib wieder herzustellen. Nichts anderes hatte Le Corbusier getan, als er 1950/55 die Kapelle von Ronchamp baute und damit eine nach innen ziehende organische Form der Kubatur unserer Städte entgegensetzte. Es war, nebenbei bemerkt, eine der ersten Taten der Postmoderne. Mit diesem gedanklichen Bogen hängen wiederum zwei formale Probleme zusammen. Einmal das Problem der Monumentalität als Ausdruck des Erstaunens über die Möglichkeiten der Natur, sodann die Dialektik von kleiner und monumentaler Form. Die Naturvorbilder für Gerhard Hoffmann, oft kaum fingernagelgroß, werden in der Bildformulierung enorm vergrößert. Dieses Bild wiederum verschwindet in der hypermonumentalen Dimension des gedanklichen Raumes. Fast nebenbei bemerkt man, dass die von der Natur weggestoßenen und im Bild aufgehobenen Muscheln - wie Gaston Bachelard sagt - "Versuche der Natur (sind), die Formen der verschiedenen Teile des menschlichen Körpers vorzubereiten; es sind Stücke vom Mann, Stücke von der Frau." Die Zusammenfügung allerdings ist für den Maler im Moment nicht interessant. Wenn "Zeug" nicht mehr für sich, sondern für einen anderen, aus seinem Zusammenhang heraus erklärbaren Zustand steht, weckt es kein Interesse mehr; es gehört dann der eineindeutigen Welt an, in der die Dinge entsublimiert sind .
Wie sich auf der Theaterbühne die Personen wechselseitig definieren, bestimmen sich auf Gerhard Hoffmanns Bildern die Elemente gegenseitig. Querverbindungen schafft die Zeitachse von der Vergangenheit mit dem Gewesenen in eine nicht bestimmbare Zukunft. Kraft resultiert nicht aus Pseudodynamik, sondern aus Ruhe . Ruhe wird Ereignis. Und im Durchspielen von tektonischer Form und organischer Struktur liegt das dramaturgische Material. Natur und Kunst, Organisches und Gebautes erscheinen auf den Bildern als unauflösliches Geflecht labyrinthischer Wege: Ob man zum inneren vorstößt, bleibt ungewiß - dem Maler wie dem Betrachter.
 

 © Dr. Peter Guth, Leipzig

Text Im Katalog zur Ausstellung “Zeug”, Dogenhausgalerie Leipzig, 1992

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Peter Guth / “...Balanceakt zwischen gegenständlicher Erfahrung und malerischem Ausdruck ...”

Es geht bei den Bildern Gerhard Hoffmanns um ein grundsätzliches malerisches Problem, das endgültig, mit letzter Zuverlässigkeit, nicht entschieden werden kann: Wie sind die malerischen Bestandteile so ins Bild einzubringen, daß sie nicht hinter der schnell ablesbaren Zeichensprache des Bildes verschwinden? Diese Frage hat sich spürbar für Leipziger Maler vorhergehender Generationen gestellt. Unter Mühen ist es manchem gelungen, den Eigenwert der Malerei zu verteidigen; daß es so selten glückte, warf man der als „literarisch“ verschrieenen Leipziger Malerei ständig vor. Gerhard Hoffmann trägt diesen Widerspruch ganz bewußt aus. Er balanciert zwischen gegenständlicher Erfahrung und malerischem Ausdruck von Stimmungswerten. Dieser Balanceakt hat für beide Seiten Konsequenzen: Der Gegenstand erscheint als Farbballung im Raum, er kann noch erahnt werden, aber der Maler verweigert die exakte Definition. Stimmungen sind stets am Wechsel von Außenwirkung (etwa einer Landschaft) und emotionaler Disposition festgemacht, sie erscheinen letztlich weniger gleichnishaft als vielmehr direkt erlebt. Der große Vorteil: mit der spür- oder ahnbaren Bindung an die Wirklichkeit außerhalb des Künstlers verhindert er Beliebigkeiten der Interpretation.

© Dr. Peter Guth, Leipzig

 

Text im Katalog zur Ausstellung  „junge kunst in leipzig“ 1991

 

 

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Der  Weg

Prozession

Im Sand

Pfingsten (Alma)

Animation

Kurze Blüte

Chorus

Paarung, 1997,110 x 140 cm, Öl / Lw., (97-28) Paarung

Libido, 1999, 73 x 106 cm, Mischt. / Papier, (99P06) Libido

Die Herrscherin, 1998, 80 x 50 cm, Öl / Lw., (98-35) Die Herrscherin

Agens, 1999, 106 x 73 cm, Mischt. / Papier, (99P01) Agens

Arkadien (I), 1999,  64 x 140 cm, Mischt., Seidenpapier / Papier, (99P07)  * Arkadien (I)

Arkadien (II), 1999,  64 x 140 cm, Mischt., Seidenpapier / Papier, (99P08)  Arkadien (II)

Myra, 1998,  80 x 60 cm, Öl / Hartf., (98-36) Myra